Tobotshow Luzern

Henning Wagenbreth beim Comicfestival Fumetto in Luzern

Von Markus Köbnik

Unmittelbar vor dem Fall der Mauer gründete Henning Wagenbreth in Ostberlin mit Anke Feuchtenberger, Holger Fickelscherer und Detlef Beck die Gruppe »PGH Glühende Zukunft«.

Diese alternative »Produktionsgenossenschaft des Handwerks« sorgte nach der Wende auch im Westen für Furore – dank ihrer stilsicheren Verknüpfung von Elementen aus Comics, Illustration, Plakatkunst etc. zu überaus eigenwilligen und unverwechselbaren Bildsprachen.

Henning Wagenbreths Einflüsse sind mannigfaltig und reichen von den Comics aus Art Spiegelmans Avantgarde-Magazin RAW über sowjetische Plakat- und Propagandakunst, die neue Sachlichkeit, osteuropäische Illustratoren, Expressionismus und Underground bis hin zu den Möglichkeiten und Beschränkungen der Computergrafik.

Aus diesen Einflüssen schuf Henning Wagenbreth einen unverwechselbaren Stil, der ihn bald zum begehrten Plakatgestalter und Illustrator machte. Sein Kinderbuch Mond und Morgenstern nach einer Erzählung von Wolfram Frommelt wurde 1999 als «Schönstes Buch der Welt» ausgezeichnet.

Wagenbreths Stil ist vordergründig grobschlächtig, hintergründig verspielt und detailreich. Die Linien sind klar und dick, die Farben klar und dominant, die Figuren sind an der Grenze zur Abstraktion und tragen zumeist ausdruckslose Gesichter.

Er spielt mit Klischees – und versucht herauszufinden, wie weit er sich vom Vertrauten entfernen kann und doch verständlich bleibt. Atmosphärische Zwischentöne und diffuse Zwischenräume fehlen ebenso wie Emotionen.

Die einzelnen Bildelemente – Wagenbreth nennt sie «visuelle Begriffe» – sind immer gut erkennbar und leicht lesbar. In seinen Illustrationen und Plakaten verschmelzen denn auch Wort und Bild, Zeichnung und Typographie.

Aber sie sind nicht so einfach, wie der erste Blick suggerieren könnte. Wagenbreth bringt die einzelnen Elemente zu einem komplexen Ganzen zusammen, das voller Spannungen und Widersprüchen steckt und vieldeutige Aussagen macht.

«Illustration ist kein schmückendes Dekor» sagte Wagenbreth kürzlich in der Zeitschrift Jitter, sondern müsse, «wie gute Kunst überhaupt, gesellschaftliche Relevanz haben. Illustration an sich ist uninteressant.» Ihr Auftrag sei es, «ein Beitrag zur Streitkultur und zur gesellschaftlichen Willensbildung» zu sein.

Wagenbreth ist ein neugieriger, wacher und offener Geist, der sich schon früh auch für den Computer als Arbeitsinstrument interessierte. So entwickelte er die Software, um niedrigpixelige Bildergeschichten zu programmieren, die man sich via Internet auf die Displays von Notebooks und Handys runterladen kann.

Bahnbrechender, verblüffender und vor allem unterhaltsamer ist aber das automatisierte Illustrationssystem Tobot, das am Fumetto ausgestellt ist: Der Tobot addiert unterschiedliche Bildelemente zu Figuren, Häusern, Autos etc. und verknüpft diese wiederum zu Bildfolgen, die rund um die Uhr von alten Faxgeräten auf Papierstreifen gedruckt werden. Der Tobot lässt sich auch für Animationen anwenden, die ebenfalls in der Ausstellung gezeigt werden.